Triticale als Alternative zum Stoppelweizen
Der Anbau von Triticale nahm in den 90er Jahren rasant zu. 2002 wurden auf mehr als einer halben Million Hektar in Deutschland Triticale angebaut. Danach ging der Anbau wieder zurück auf derzeit 320.000 ha, nicht zuletzt durch die stabileren Erträge des Hybridroggens auf schwächeren Standorten. In Zukunft könnte der Triticale-Anbau wieder mehr an Bedeutung gewinnen, wenn Triticale als Alternative zum Stoppelweizen bestellt wird.
Triticale ist als Getreideart eine Kunst- form, entstanden durch die Befruchtung von Weizen als Mutter durch Roggenpollen. Je nach Erbanteilen ähneln die Triticale-Sorten mehr dem Weizen, meist kürzere Sorten ohne Grannen mit höherer Ährenzahl, oder dem Roggen, i. d. R. längere Sorten, teilweise mit kurzen Grannen. Weizentypen (z. B. PRESLEY) erreichen auf besseren Böden höhere Erträge, Roggentypen (z. B. Rivolt) sind auf schwächeren Böden ertragsstabiler.
Triticale ist keine Gesundfrucht
In den ersten Jahren galt Triticale als wenig anfällig für Blattkrankheiten. Das hat sich inzwischen geändert. Insbesondere Septoria tritici und vor allem Gelbrost haben in Triticale eine vergleichbare Bedeutung wie im Weizen. Auch Halmbasiskrankheiten treten in Triticale ähnlich stark auf wie im Weizen. Für Ährenfusarien sind aktuelle Triticale-Sorten nicht weniger anfällig als Weizensorten.
Im direkten Vergleich zu bekannt robusten, ertragsstarken Weizensorten (z. B. Campesino oder Informer) schnitten in unseren Versuchen auf sehr unterschied- lichen Standorten (Maasbüll im Norden Schleswig-Holsteins, Untermerzbach an der Grenze zwischen Ober- und Unterfranken) einige neue Triticale-Sorten (z. B. BOGART, CHARME, PRESLEY) als Stoppelgetreide (Getreide nach Weizen) wesentlich besser ab, auch besser als ältere Triticalesorten. Ursache dafür scheint deren geringere Empfindlichkeit für Wurzelkrankheiten (Schwarzbeinigkeit) zu sein bzw. die schnellere Wurzelregeneration. Die Ertragsbeeinträchtigung durch die Schwarzbeinigkeit hängt im Wesentlichen davon ab, dass die Wurzelneubildung schneller erfolgt als die Schädigung der Wurzeln durch den Erreger Gaeumannomyces grami- nis (früher Ophiobolus graminis).
Triticale wird durch diesen Erreger zwar genauso befallen wie Weizen oder Gerste, reagiert aber wie der Roggen im Ertrag weniger stark auf den Befall, trägt allerdings selbst zur Vermehrung des Inokulums bei. Deshalb sollte nach Triticale kein Getreide angebaut werden.
Aus diesem Grund ist Triticale eine echte Alternative zum Stoppelweizen, wenn da- nach eine Blattfrucht oder Mais angebaut wird.
Verwertung
Der Großteil der Triticale-Ernte wandert in den Futtertrog. Aufgrund der Zusammensetzung der Aminosäuren eignet sich Triticale als Futtergetreide vergleichbar gut wie der Weizen. Durch Stärkegehalte von 65 bis 75 % kommt Triticale auch für die Ethanol-Produktion in Betracht. Die Alkoholausbeute schwankt zwischen 39 und 46 %, vergleichbar mit C-Weizen. Ein Viertel der Triticale-Ernte wird als Ganzpflanzensilage für Biogasanlagen verwendet.
Für die menschliche Ernährung wird Triticale-Mehl kaum genutzt. Hauptproblem ist die Neigung von Triticale zum Auswachsen und die geringe Stabilität der Fallzahl. Aufgrund der niedrigen Sedimentationswerte (10 bis 16 ml) eignen sich reine Triticale-Mehle aber für die Herstellung von Fladenbrot, das im Geschmack Roggenmischbroten ähnelt. Geringere Mengen werden in der vegetarischen Küche verwendet.
Letztlich steht Triticale in erster Linie in Konkurrenz zum Futterweizen bzw. konkurriert als GPS-Pflanze mit Roggen, weniger mit der Wintergerste.
Ertragsbildung und Ertragsaufbau
Triticale kann ähnlich gut bestocken wie Weizen, allerdings fallen die Frühjahrstriebe in der Ertragsleistung gegenüber den Herbsttrieben im Einzelährenertrag stärker ab. Das Doppelringstadium und das Umschalten des Vegetationskegels auf Anlage generativer Organe erreicht Triticale früher (ab Februar) als Weizen und bildet auch früher als der Weizen das Spitzenährchen (Ende März/Anfang April). Die „Große Periode“, d. h. die Streckung der Ähre setzt ab dem 20. April, wenigstens eine Woche bis 14 Tage früher ein als im Weizen.
Aufgrund der stark abfallenden Leistung der erst im Frühjahr gebildeten Triebe sollte Triticale im Herbst beginnen zu bestocken. Wird Triticale aber zu früh (noch im Langtag, vor dem 20. September) gesät, beginnt er aufgrund des gegenüber dem Weizen geringeren Vernalisationsanspruchs vorzeitig zu schossen, damit steigt das Auswinterungsrisiko. Die Mehrzahl der Triticale-Sorten sind weniger winterhart als die meisten Weizensorten.
Im Ertragsaufbau bestehen Unterschiede zwischen den (meist) langstrohigen Roggen-Typen, die mit eher geringer Ährenzahl (450 bis 500 Ähren/m²) den Ertrag bilden und den kürzeren Weizen-Typen, die mehr Ähren (500 bis 600 Ähren/m²) brauchen.
Die Roggentypen haben i. d. R. locker- ständige, lange Ähren mit 24 bis 28 Spindelstufen. Da die Mittelkörner selten voll ausgebildet werden, können die Roggentypen zu geringe Ährenzahlen über die Korn- zahl je Ähre kaum kompensieren. Deshalb steht die Absicherung der Bestandesdichte im Vordergrund.
Weizen-Typen haben zwei bis vier Spindelstufen weniger, bilden dafür das dritte Korn im Ährchen aus. Dadurch können Weizen-Typen fehlende Ähren besser kompensieren. Allerdings drückt das dritte Korn das durchschnittliche TKG. Weizen- Typen erreichen ein TKG von 38 bis 48 g, Roggentypen von 43 bis über 50 g.
Saatzeit und Saatstärke
Triticale sollte selbst auf Standorten mit frühem Vegetationsende nicht vor dem Übergang in den Langtag (am 20. September) auflaufen, also nicht vor dem 15. September gesät werden, um zu vermeiden, dass Triticale sich vorzeitig streckt. Andererseits soll Triticale vor Winter mindestens ein, besser zwei Seitentriebe gebildet haben. Dazu sind nach dem Auflaufen wenigstens 270 °C-Tage nötig, also bei durchschnittlich 7 Grad fast 40 Tage. Wenn die Vegetation um den 20. November endet, muss Triticale um den 10. Oktober auf- laufen, also um den 3. Oktober gesät wer- den, bei späterem Vegetationsschluss (05. Dezember) um den 25. Oktober auflaufen bzw. um den 15. Oktober gesät werden. Damit ist das optimale Saatzeitfenster im Vergleich zum Weizen eingeschränkt.
Das Saatzeitrisiko wird durch Sortenwahl und die Anpassung der Saatstärke verringert (Tabelle).
Für die Berechnung der notwendigen Saatstärke muss die Keimfähigkeit des Saatgutes und der wahrscheinliche Feldaufgang berücksichtigt werden. Der Feldaufgang hängt ab von der Saatbettbeschaffenheit (Bodenart, Krümelanteil, Rückverfestigung) und der Bodenfeuchte und kann unter normalen Verhältnissen zwischen 70 und nahezu 100 % der keim- fähigen Körner schwanken. Die Berechnung der Saatstärke erfolgt nach folgender Formel:
Keimpflanzen je m² x 100/Feldaufgang in % = Saatstärke (keimfähige Körner je m²)
180 Keimpflanzen x 100/90 (% Feldaufgang) = 200 keimfähige Körner je m²
Triticale braucht weniger Stickstoff als Weizen
Die Verwandtschaft mit Roggen wirkt sich positiv aus: Aufgrund des intensiveren Wurzelsystems kommt Triticale bei gleich- hoher Ertragsleistung mit weniger Stickstoff aus als der Weizen. Sinnvoll ist es, die Stickstoffdüngung zu teilen, um mit der Startgabe den Bestandesaufbau zu steuern und mit der Ertragsdüngung die Ertragsbildung zu beeinflussen. Die Aufteilung der Ertragsdüngung ist notwendig, wenn dazu mehr als 80 kg/ha N notwendig sind und die Düngung mit nitrathaltigen Düngern (KAS, ASS, Hydrosulfan) erfolgen muss.
Erfolgt die Ertragsdüngung mit stabilisiertem Harnstoff, kann die vorgesehene gesamte Düngung zum Schossen in einer Gabe ausgebracht werden.
Startgabe – nur so hoch, wie nötig, um den Bestand abzusichern
Die Höhe der Startgabe ergibt sich aus dem Aufnahmebedarf bis zum Schossen (EC 31), abhängig von der angestrebten Ährenzahl je m² und vom Rest-Stickstoff, der im Boden verbleibt. Für 500 Ähren je m² muss Triticale wenigsten 60 kg/ha N bis zum Schossen aufnehmen. Der Rest- Stickstoff in der Krume beträgt in einem Lehmboden 30 kg/ha N, in sandigem Bo- den 20 kg/ha, in tonigen Böden 40 kg/ha.
Der N-Bedarf (Sollwert für die Startgabe) für den Bestandesaufbau beträgt in diesem Beispiel 90 kg/ha N. Von diesem Sollwert werden abgezogen:
- die Menge an Stickstoff, die Triticale schon aufgenommen hat, je nach Entwicklung zwischen 10 und 25 kg/ha N, z.B. 15 kg/ha N
- und der gemessene N min-Vorrat im Wurzelraum, also in der Krume (z. B. 25 kg/ha N).
- Daraus ergibt sich eine Startgabe von 90–15–25 = 50 kg/ha N.
Für die Ertragsdüngung halten wir uns an die Düngeverordnung (Getreidevorfrucht):
N-Bedarfswert für 90 dt/ha Triticale: 210 kg/ha N
abzüglich 50 kg/ ha Nmin (gesamter Wurzelraum)
15 kg/ ha N (Nachwirkung der Gülle im Vorjahr)
N- Düngungsbedarf 145 kg/ha N
abzüglich 50 kg/ha N (Startgabe)
Ertragsdüngung 95 kg/ha N
Von diesem Düngungsbedarf wird noch die Startgabe abgezogen, um den N-Düngungsbedarf für die Ertragsdüngung zu erhalten. Die Ertragsdüngung kann in mineralischer Form, z. B. als Piagran Pro, Alzon Neo N oder mit der Gülle erfolgen. Sinnvoll ist in diesem Fall die Zugabe eines Nitrifikationshemmers.
Der optimale Zeitpunkt für die Ausbringung stabilisierter N-Dünger und Gülle ist in EC 29/30. Nitrat-haltige Dünger sollten erst ab dem Spitzenährchen in EC 31 gedüngt werden, um die Reduktion von Nebentrieben 2. Ordnung nicht zu weit hinauszuzögern. Bei einer Aufteilung der Ertragsdüngung werden 60 % des errechneten Bedarfs zum Schossen, die restlichen 40 % ab EC 32/37 gedüngt, um die Kornbildung zu fördern und den Wurzelabbau hinauszuzögern.
Fazit
Triticale ist eine echte Alternative zum Stoppelweizen. Das Zeitfenster für die Aussaat von Triticale ist jedoch begrenzt: Eine zu frühe Aussaat erhöht das Auswinterungsrisiko, eine zu späte Saat das Risiko zu dünner Bestände, da Triticale ein geringeres Kompensationsvermögen über den Einzelährenertrag hat.
Bei der Saatstärke gilt so dicht wie nötig, um die notwendige Bestandesdichte abzusichern, aber nicht zu dicht, um der Einzelpflanze genügend Standraum für die Kronenwurzelbildung zu geben. Triticale benötigt aufgrund des intensiveren Wurzelwerkes weniger Stickstoff als Weizen für einen vergleichbar hohen Ertrag. Die N-Startgabe sollte in Abhängigkeit von der Bestandesentwicklung nach Winter vorgenommen werden.
Eine Ertragssicherung durch Wachstumsregler und Fungizide ist meist notwendig. Das wird Thema in einem späteren Beitrag sein.
Autor: Prof. Dr. Hansgeorg Schönberger, n.u. agrar GmbH Schackenthal
Quelle: Getreidemagazin 3/2022 (28. Jg.)