Züchtung live erleben

Dialog zwischen Landwirt, Handel, Mühle und Züchter

Die diesjährige Veranstaltungsreihe „Züchtung live erleben“ der I.G. Pflanzenzucht vom 05. Juni bis 07. Juni 2023 ein voller Erfolg. Die Besucher konnten an drei Tagen vier Züchtungsstandorte in ganz Deutschland besuchen. Neben hoch qualifizierten Podiumsdiskussionen mit Sichtweisen entlang der Wertschöpfungskette boten die I.G. und ihre Gesellschafter auch Führungen in kleinen Gruppen über ihre Betriebe inkl. Zuchtgärten und I.G. Sortenschaufenster an.

Die Veranstaltung ‚Züchtung live erleben‘ stieß bei allen Anwesenden auf große Begeisterung. Als mittelständisches Vertriebsunternehmen ist der I.G. Pflanzenzucht der Austausch mit ihren Gesellschaftern, zum Großteil noch familiengeführte Zuchtbetriebe, sehr wichtig. Ein reger Austausch während der einzelnen Veranstaltungen half den Teilnehmern, die Herausforderungen/Probleme der Züchter zu verstehen. So dauert z.B. die Züchtung einer Sorte in der Regel 10 Jahre bis zur Zulassung. Da ist gar nicht so einfach, ‚mal schnell‘ eine passende Sorte auf den Markt zu bringen. Für die Züchter sind auf der anderen Seite Informationen direkt vom Landwirt, gerade bei der Selektion von Stämmen, äußerst wertvoll.

Neben den regen Diskussionen zu den Vorträgen/Podiumsdiskussionen nutzten viele Besucher die Möglichkeit, direkt am Feld in das Thema Züchtung einzutauchen. Es wurden Sorten seitens der I.G. vorgestellt, aber auch die ein oder andere Schwierigkeit/Herausforderung direkt beim Züchter platziert. Diese wiederum erklärten vor Ort in den Zuchtgärten die Vorgehensweise bei der Getreidezüchtung und worauf der jeweilige Betrieb besonders achtet.

Lesen Sie die Beiträge zu den Veranstaltungen auf den Standorten sowie dem jeweiligen Züchterprofil.

Pflanzenzucht Oberlimpurg (PZO): „Leistungsfähige GPS-Systeme für die Zukunft“ 

Saatzucht Streng-Engelen„Qualitätsweizenproduktion der Zukunft“

Saatzucht Bauer: „Qualitätsweizenproduktion der Zukunft“

Saatzucht Bauer (I.G. Saatzucht):  „Haferanbau liegt voll im Trend“

Pflanzenzucht Oberlimpurg (PZO)

Bei Schwäbisch Hall öffnete die PZO am 06. und 07. Juni den Besuchern ihre Tore. Neben den Führungen über den Betrieb, war ein besonderes Highlight das spannende Forum rund um das Thema Ganzpflanzensilage (GPS) am Dienstag, dem 06.06.2023, ab 10 Uhr. Nach einer kurzen Begrüßung durch die Geschäftsführerin der PZO, Stephanie Franck, und Franz Beutl, Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht, übernahm Dr. Mathias Gemmer (I.G. Pflanzenzucht) das Mikrofon, um die Themenbeiträge zum Thema „Leistungsfähige GPS-Systeme für die Zukunft“ anzumoderieren. Nach jedem Beitrag hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen und mit den Vortragenden in Diskussion zu treten. Dies wurde auch rege genutzt.

Beginnend stellte Simon Kühnle, Züchtungsleiter (Interim), die PZO vor: Auf ca. 55 ha Zuchtgarten Getreide findet die Erhaltungszüchtung und Selektion für Leistungsprüfung in Schwäbisch Hall statt. Die Leistungsprüfungen erfolgen neben Schwäbisch Hall auch bundesweit oder global, je nach Adaption und Anbaubedeutung. GPS‑Getreide stellt eine echte Alternative zu Mais dar. Wichtig sei es laut Kühnle, die Winterfeuchtigkeit durch den Anbau im Vergleich zu Sommerungen besser nutzen zu können und auch Arbeitsspitzen zu verringern. Synergieeffekte mit Mais steigern zudem die Methanausbeute. Flächen mit hoher Ungräserbelastung könnten durch Grünnutzung besser genutzt werden. Die GPS‑Sorten räumen als Hauptfrucht früh, was z. T. einen Nachbau von Mais zulässt. Bei GPS seien vor allem hohe Biomasseerträge für Biogasanlagen und/oder hohe Futterwerte für Kühe relevant. Dies soll auch in der Zukunft bei der Züchtung weiterhin im Vordergrund stehen. Besonders eine hohe Flexibilität in der Nutzung (GPS/Körner, Wechseltriticale, Frühschnitt/GPS), die Reifezeit und die Massebildung im Frühjahr seien neben Futterwert und Biogasausbeute wichtige Parameter. Das wurde auch bei der neuen Sorte ELEPHANTUS PZO berücksichtigt. ELEPHANTUS PZO ist die zweite in Deutschland zugelassene Frühschnitttriticale. Durch die Aussaat im Herbst wird die Winterfeuchte ideal ausgenutzt. Gegenüber Mehltau und Gelbrost zeigt ELEPHANTUS PZO hervorragende Resistenzeigenschaften. Mit APS 6 im Trockenmasseertrag weist er in seinem Segment eine neue Dimension auf. ELEPHANTUS PZO liefert als Frühschnitttriticale durch eine frühe und hohe Massebildung sehr energiereiches Futter mit hohen Proteingehalten und bester Faserverdaulichkeit für Hochleistungsmilchkühe. Durch den frühen Erntezeitpunkt ist eine Zweitfruchtaussaat möglich. ELEPHANTUS PZO wird durch die IG über die Marke MAXiGPS vermarktet.

Dr. Norbert Göres, Tierarzt & Smart Diary Specialist bei Sano Moderne Tierernährung, folgte Kühnle mit einem Vortrag über GPS-Getreide in der Tierernährung. Da rund 1/3 der Anwesenden aus der Rinderhaltung kamen, wurde dieses Thema ebenfalls mit Spannung verfolgt. Zunächst zählte Göres Gründe auf, die für GPS und v.a. auch für Frühschnitttriticale sprechen. Im Gegensatz zur klassischen GPS handelt es sich hierbei um eine Anwelksilage, welche im Fahnenblattstadium geerntet wird. Das Ziel sind höchstmögliche Faserverdaulichkeit und Energiedichte (7 MJ NEL/kg TS). Die Silage ist eine zusätzliche Option zur Sicherung des Grundfutterbedarfs, mit Grundfutter von höchster Verdaulichkeit und zudem eine zusätzliche Quelle für betriebseigenes Eiweiß, die auch Anforderungen hochleistender Kühe gerecht wird. Bei der Verwendung von Frühschnitt‑Triticalen kamen das (im Vergleich zu Weizen und Roggen) breitere Erntefenster, das verringerte Risiko zur Verfehlung des optimalen Entwicklungsstadiums und die höheren Erträge (gegenüber Weizen) sowie die bessere Standfestig- und Beerntbarkeit (gegenüber Roggen) zur Sprache. Anforderungen seitens der Tierernährung an die Züchtung seien vor allem max. Blattanteile, höhere Verdaulichkeit und höhere Rohproteingehalte. Durch den Einsatz von GPS konnte Sano Unternehmensgruppe einen Betrieb mit >2.200 Milchkühen in Ungarn erfolgreich seit Jahren unter den Top-5 Betrieben Ungarns >500 Kühe halten und die Milchleistung zudem ausbauen.

Mit dem Vortrag „Ganzpflanzensilage – das Bindeglied zwischen Substratversorgung und Bodenfruchtbarkeit!?“ rundete Bernd Günther, Betriebsleiter eines Ackerbaubetriebs mit Biogasanlage im Landkreis Würzburg, die Vortragsreihe mit einem Einblick in die Praxis ab. Der Betrieb wird in Direktsaat bewirtschaftet. Es herrscht ein extrem hitziges Weinklima. In 2023 baute Günther 220 ha GPS‑Gemenge an. Dazu verwendete er die Sorten TENDER PZO bzw. ALLROUNDER PZO in Kombination mit Winterwicke und -erbse. Gerade bei Leguminosen sollte auf den Molybdän- und Cobaltgehalt geachtet werden, so Günther. Bei der Fruchtfolge unterscheidet er nach Bodenart: auf Löss 6-feldrig mit 2 x GPS (nach Zuckerrübe und nach Silomais) und auf Ton 3-feldrig, mit 1x GPS nach Zwischenfrucht. Durch den Einsatz des GPS-Gemenges ist laut Günther ein herbizidfreier Anbau ohne Halmverkürzer möglich. Zusätzlich erfolgt eine 100 % organische Düngung (160 kg N in 2 Gaben) und N-Lücken werden durch die Leguminosen geschlossen, welche zeitgleich eine spätere Ernte erlauben. Der Ackerboden wird bereits ab dem 20. Mai beschattet, die Aussaat kann in einer Überfahrt erfolgen. Für die Verarbeitung in der Biogasanlage spräche die bessere Verdichtung im Silo mit verbesserten Gäreigenschaften und den Leguminosen als zusätzliche Komponente. „Der Vorteil vom Gemenge ist die bessere Silierfähigkeit und das längere Zeitfenster bei der Ernte. Außerdem bedeuten die Leguminosen im Gemenge eine weitere Komponente in der Biogasanlage, was zu stabileren und besseren Gaserträgen führen aber auch Wetterextreme im Ackerbau abpuffern kann.“, so Günther. Bei der Ernte von GPS sei darauf zu achten, dass der Häcksler Seitentrennmesser benötigt und seine Leistung geringer als bei Solo‑Triticalen sei. Zudem sollte bei Saat von Wicke beachtet werden, dass diese im Nachgang schwer zu bekämpfen ist. Günther bewertet den Anbau von GPS als sehr attraktiv, mit konstanten Erträgen, was zudem eine Vielfalt für Natur und Biogasanlage darstellt. Durch die Direktsaat werden Boden und Ressourcen geschont.

Züchterprofil

Die Pflanzenzucht Oberlimpurg (PZO) mit ihrem Hauptsitz in Schwäbisch Hall (Baden‑Württemberg) ist spezialisiert auf die Züchtung von Winterweizen, Dinkel, Triticale für Korn- und GPS-Nutzung, Winterbraugerste, Sojabohne, aber auch kleinere Kulturen wie Emmer und Winterdurum. Das in 4. Generation familiengeführte Unternehmen von Inhaberin Stephanie Franck konzentriert sich bei den Zuchtzielen für GPS auf Sorten mit hoher Flexibilität in der Nutzung, den Futterwert, die Biogasausbeute sowie Reifezeit und Massebildung im Frühjahr. Die Vermarktung findet über die I.G. Pflanzenzucht unter der Marke MAXiGPS statt.

Bekannte GPS-Sorten der PZO

Sommertriticale: TEAM PZO und CLAYTON PZO
Wintertriticale: TENDER PZO und ALLROUNDER PZO
Frühschnitttriticale: ELEPHANTUS PZO und RESOLUT PZO
Sommerhafer: HANNIBAL PZO und BALLANCE PZO (winterhart)
Erbse: ICICLE (winterhart)

Saatzucht Streng-Engelen

Bei der Saatzucht Streng-Engelen auf dem Aspachhof in Uffenheim stand der Dienstag unter dem Motto „Qualitätsweizenproduktion der Zukunft“. Bereits ab 10:30 Uhr wurden kleine Gruppen über das I.G. Sortenschaufenster und den angrenzenden Zuchtgarten geführt. Ab 14:00 Uhr waren die Besucher, nach einer kurzen Begrüßung durch den Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht, Franz Beutl, aufgefordert, sich rege an der Podiumsdiskussion zu beteiligen. Geleitet von der Moderatorin Marina Steingraber aus den Reihen der I.G. Pflanzenzucht sprachen Marco Stucke, Junior Weizenzüchter bei der Saatzucht Streng-Engelen, Alfred Reindl, Händler bei Großhandel Josef Marschall GmbH, und Pierre Kling, Anbauberatung und Sortensteuerung der Rettenmeier Mühle, über die Potenziale und Möglichkeiten des Qualitätsweizenanbaus.

Zunächst stellte Stucke die Saatzucht Streng-Engelen und den Stressstandort Aspachhof in Uffenheim vor. Dieser Standort sei besonders gut, um Schwächen gegenüber Trockenheit bei den Sorten zu finden. Gerade das Spannungsfeld zwischen Protein und Ertrag spiele heutzutage eine sehr große Rolle. Die neuen Rahmenbedingungen (DüV, N-Effizienz, Trockenheit, Schädlinge, Krankheiten) stellen große Herausforderungen für die Züchtung dar. Nicht alle Sorteneigenschaften seien durch den Züchter zu beeinflussen, so Stucke. Protein, Sedimentationswert und Fallzahl beispielsweise könnten nur indirekt beeinflusst werden, während Volumen, Mehlausbeute, Wasseraufnahme und Teigeigenschaften direkt zu steuern sind. Gerade bei Qualitätsweizen sei die Fähigkeit, N aus dem Boden ins Korn zu bringen, um sie später für das Backvolumen zu nutzen, essenziell.

Damit die Sorten in die Anbauempfehlung der Rettenmeier Mühle mit aufgenommen werden, müssen die agronomischen Eigenschaften zunächst auf den Standort passen. Schlussendlich muss der Bäcker ein gutes Gefühl bei der Teigführung und dem Backergebnis haben, so Kling. Dabei kann das von Kunde zu Kunde variieren, da unterschiedliche Ansprüche an den Teig bestehen: zähe Teige mit hohem Dehnungswiderstand, Teige mit mittlerem Dehnungswiderstand und geschmeidige Teige mit geringem Dehnungswiderstand. Die Rettenmeier Mühle stellt jedes Mehl individuell zusammen. Dabei ist die Genetik der einzelnen Sorten wichtig. Nicht zu verachten sei bei den Sorten auch der Parameter Feuchtkleber, ergänzt Reindl. Hinzu kommen DON- und ZEA‑Belastung sowie auch Mutterkorn. Blickt man auf die wachsende Bereitschaft der Mühlenindustrie, Weizenpartien mit 12,0 % oder 12,5 % Protein als A-Weizen zu akzeptieren, es sei jedoch ein kontinuierlicher Prozess, der zukünftig infolge der geänderten Düngebestimmungen noch an Wichtigkeit gewinnen wird. Dies bestätigt Kling und weist darauf hin, dass Sorten mit hoher Volumenausbeute und moderaten Proteingehalt keinen Proteinabzug in der Abrechnung erhalten. Der Preis für 13 % Rohprotein gälte somit auch für 12,5 % und 12 %. Bei Fragen aus dem Publikum betonten sowohl Reindl als auch Kling, dass der Rohproteingehalt weiterhin das Merkmal zur Bonifizierung von Weizen sei und auch in absehbarer Zukunft bleibe. Andere Parameter seien bei Anlieferung schwer zu bestimmen. Beim Thema Import waren sich beide einig, dass regionale Erzeugnisse bevorzugt vor importierter Ware eingekauft würden.

Am Schluss wies Moderatorin Marina Steingraber noch einmal auf das Triple A-Team der I.G. Pflanzenzucht hin.

Züchterprofil Streng-Engelen

Die Saatzucht Streng-Engelen hat ihren Hauptsitz auf dem Aspachhof der Familie Streng in Uffenheim (Bayern), mit weiteren Selektionsstandorten in Büchling und Ranzin, sowie weiteren Standorten des französischen Gesellschafters Maison Florimond Desprez. Der anno 1902 gegründete Aspachhof gilt als Stressstandort, wodurch eine Selektion auf Hitze-/Trockenstress stattfindet. Die Züchtungsschwerpunkte liegen auf modernen und leistungsstarken Winterweizen, Wintergerste, Wintertriticale, Sommerweizen, Sommergerste und Sojabohne.

Bekannte Getreidesorten der Saatzucht Streng-Engelen

Winterweizen: APOSTEL, ARGUMENT, ABSOLUT und ADRENALIN
Wintergerste: BIANCA und ARETHA
Wintertriticale: TORBEN und TRIMASSO
Sommerweizen: ANABEL
Sommergerste: PROSPECT und SOLIST

Saatzucht Bauer

Am Mittwoch, dem 07.06.2023 um 10:00 Uhr, nach ein paar kurzen einleitenden Worten von Franz Beutl, Geschäftsführer der I.G. Pflanzenzucht, und Dr. Andreas Jacobi, Chefzüchter der Saatzucht Bauer, übernahm Moderatorin Marina Steingraber die Vorstellung der Kandidaten zur Podiumsdiskussion „Qualitätsweizenproduktion der Zukunft“ im vollen Gewächshaus am Standort Biendorf. Durch einen guten Mix entlang der Wertschöpfungskette wurde es für das Publikum nicht langweilig und viele Fragen seitens der Zuhörer lockerten die Runde auf.

Bei den Fruchtarten fokussiert sich die Saatzucht Bauer auf Hafer (Standort Boldebuck), zwei- und mehrzeilige Wintergerste, Winter- und Sommerweizen, Hybridweizen und Sojabohne. Bei der Züchtung von Winterweizen differenziert Jacobi zwischen eigenen, internen und vorgegebenen, externen Zuchtzielen. Zweitere gäben oft die Marschrichtung vor, so Jacobi. Hierunter fallen seiner Ansicht nach Trocken- und Hitzestress ausgelöst durch Klimawandel, politische Vorgaben wie N-Mengenangaben (Stichwort: Rote Gebiete), die DüV und die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Dadurch werden laut Jacobi u.a. für die Züchtung vorgegeben: Stresstoleranz und N‑Effizienz (v.a. beim Weizen), hier noch einmal aufgeschlüsselt in Ertrag und für den Weizen besonders wichtig die Umsetzung in Proteinqualität. Diese ist äquivalent zur Backqualität. Es soll mit wenig Protein ein max. Volumen erreicht werden, andere Merkmale träten in den Hintergrund. Die Frage wäre, wie sich die einzelnen E-Qualitäten in Zukunft entwickeln. So wäre derzeit bei Exportweizen ausschließlich der Proteingehalt entscheidend.

Dr. Stephan Deike, Geschäftsführer und Fachberater für Acker- und Pflanzenbau der Landberatung GmbH, bekräftigte, dass in den letzten Jahren vor allem bei der Sortenwahl Robustheit, Stresstoleranz und Ertragsstabilität eine große Rolle spielten, wobei hier auf regionale Anbau- und Witterungsbedingungen einzugehen sein. Ein absoluter Spitzenertrag wäre zwar oft gefragt, könne aber durch politische Vorgaben (DüV, PSM-Einsatz) oder Witterung nicht voll ausgeschöpft werden. Aus diesem Grund veränderten sich auch die Ansprüche der Landwirte. So spiele die Robustheit, allgemeine Anbaueignung (Früh-/Spätsaat), unterschiedliche Vorfrüchte und Bodenbearbeitung eine immer größere Rolle. Landwirte gewöhnten sich schnell an positive Eigenschaften einer Sorte und seien in der Lage, ihr Anbausystem (un-)bewusst daran auszurichten. Deike sieht Qualitäts- und besonders A-Weizen weit verbreitet, da dieser über gute Vermarktungseigenschaften sowie einer günstigen Konstellation zwischen Aufwand und Ertrag verfügt. Gerade in den vergangenen Jahren sei die neuen A-Weizensorten durchaus leistungsfähig. E-Weizen würde im Rahmen der DüV leicht bevorteilt werden, zudem einige Sorten mit guten Anbaueigenschaften vorhanden sein.

Konstanze Fritsch, zuständig Getreideeinkauf und Anbauberatung bei der Saalemühle + Dresdener Mühle, sieht bei Winterweizen die agronomischen und backtechnischen Eigenschaften einer Sorte als gleichermaßen wichtig an. Eine Orientierung für eine Anbauempfehlung seien, neben der beschreibenden Sortenliste, die LSV in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Bei neuen Sorten würden Proben vermahlen und verbacken, damit im Anschluss eine Rückmeldung möglich ist, für welche Produkte sie sich eignet. Schlussendlich entscheide das Produkt über die Anforderungen an das Mehl. Die Saalemühle + Dresdener Mühle orientiert sich bei der Mischung der verschiedenen Mehle an den Ansprüchen der Kunden, sodass es keine einheitlichen Zusammensetzungen oder Parameter gäbe, so Fritsch. Nach jeder Ernte würden Qualität und Rezepturen von Sorten mit guten und innovativen Kunden besprochen werden, um diese weiter bewerten zu können. Der Proteingehalt einer Sorte sei nach wie vor der beste Parameter zur Bestimmung von Backvolumen. Alle anderen Tests, z.B. für Volumenausbeute, seien zwar auch wichtig, aber zu aufwendig bzw. direkt an der Gosse nicht umsetzbar. Auf die Frage, wie sie im Jahr 2022 auf den knappen Rohprotein in Weizenpartien regiert hätten, antwortete Fritsch, dass Mühlen eine Filterfunktion hätten: In Deutschland würden ca. 22 Mio. t Weizen erzeugt, davon ca. 7‑8 Mio. t von den Mühlen verarbeitet. So kauften beide Standorte (Dresden und Alsleben) ihr Getreide zu 90 % im Umkreis von 70 km vom jeweiligen Standort ein. Solange Landwirte in Deutschland Qualitätsweizen anbauen könnten, würde keine Ware aus dem Ausland importiert werden. Die Saalemühle + Dresdener Mühle lege Wert auf kurze Transportwege und Rückverfolgbarkeit.

Bevor es dann in Richtung I.G. Sortenschaufenster weiter ging, stellte Steingraber noch kurz das Triple A-Team der I.G. Pflanzenzucht vor.

Saatzucht Bauer

Die Saatzucht Bauer ist seit 1863 im Bereich der Saatzucht tätig und spezialisiert sich mit hochwertigen sowie innovativen Getreide- und Sojasorten auf eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft ausgerichtet. Seit 2010 findet die Weizenzucht in Biendorf (Stressstandort) statt. Weitere Zuchtstandorte sind Obertraubling, Boldebuck und Posen (PL). Bei den Fruchtarten fokussiert sich die Saatzucht Bauer auf Hafer (Standort Boldebuck), zwei- und mehrzeilige Wintergerste, Winter- und Sommerweizen, Hybridweizen und Sojabohne.

Bekannte Getreidesorten der Saatzucht Bauer

Winterweizen: PEP, FOXX, WATZMANN und BROCKEN
Wintergerste: SANDRA, ARTHENE, ALMUT und GOLDMARIE

Saatzucht Bauer (I.G. Saatzucht)

Das Trendprodukt Hafer wurde am 07. Juni bei der I.G. Saatzucht in Boldebuck (Gülzow) aus verschiedenen Blickwinkeln ab 10:00 Uhr genauer beleuchtet. Drei Experten diskutierten unter der Moderation von Dr. Mathias Gemmer (I.G. Pflanzenzucht) zum Thema „Haferanbau liegt voll im Trend“.

Berthold Bauer, Geschäftsführer I.G. Saatzucht, sieht die Zuchtziele beim Hafer in Ertrag, Standfestigkeit, Frühreife und Qualität. Besonders wichtig sei es, dass die Kunden Spaß an der Sorte haben. Dazu gehörten Qualitätsmerkmale wie geringer Spelzgehalt, gute Entspelzbarkeit und hohes Hektolitergewichtewicht. Die Wichtigkeit dieser drei Merkmale bestätigt auch Sven Sädler, Einkaufsleiter bei der H. & J. Brüggen KG, wobei er die Entspelzbarkeit als wichtigste Eigenschaft hervorhebt. Je dicker das Haferkorn, desto schälbarer ist es. Zudem betonte Sädler, dass ein Hektolitergewicht unter 52 kg keineswegs ein Ablehnungsgrund ist. Enorm wichtig hingegen sei, dass die Ware frei von tierischen und pilzlichen Schaderregern ist. Gabriele Pienz, Landesforschungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern (LFA), sieht den Nutzen von Hafer u. a. als Gesundungsfrucht in der Fruchtfolge. Im Rahmen der LSV prüft das LFA beim Hafer die Parameter Ertrag, Ertragsstabilität, Gesundheitspaket und HL-Gewicht. Allerdings erschweren anhaltende Trockenperioden im Frühsommer den Anbau von Sommerungen generell, sodass deren Vorteile oftmals nicht ausgeschöpft werden können. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, sei laut Pienz der Anbau von Sommerhafer in Herbstaussaat. Hierbei sei insbesondere das Risiko der Auswinterung zu beachten. Bauer bestätigt aber, dass zukünftig bei der Zucht vermehrt auf die Eignung zur Herbstaussaat selektiert werden würde. Zurzeit liegen noch wenige Erfahrungen vor, wobei erste Probeanbauten der I.G. Pflanzenzucht in Boldebuck diesjährig ein positives Bild zeigen.

Bauer sieht die im Dezember 2022 zugelassene Sorte KARL als zukünftigen Spitzenreiter im Hafersegment. KARL vereint hohe Erträge mit einem sehr niedrigen Spelzenanteil sowie ausgesprochen guter Enspelzbarkeit. Die daraus resultierenden, unschlagbar hohen Kernerträge zeigten sich über die Jahre hinweg stabil. Hinzu kommt eine sehr geringe Mehltauanfälligkeit. Allerdings müssten grundsätzlich Absatzchance und Preis passen, damit der Hafer an Attraktivität beim Anbauer gewinnt. Sädler ergänzt, dass der Konsum von Hafer steigen müsse. In England läge der pro Kopf Verbrauch bei ca. 9 kg/Jahr, in Deutschland nur bei 1/3 davon. Es würden bereits jährlich 600.000 t Hafer verarbeitet werden. Grundsätzlich sieht Sädler jedoch, ähnlich wie Pienz, das Problem eher in den Sommerungen allgemein, die aufgrund von Trockenheit jährlich an Attraktivität verlieren.

Geht es um die Entscheidung für eine Sorte, sieht Sädler dies als eher langfristig an. Derzeit sei u.a. die IG‑Sorte MAX in der Verarbeitungsempfehlung, man sei jedoch offen für neue Sorten. Bei der Verarbeitung von Öko-Hafer achte die H. & J. Brüggen KG darauf, dass es zu keiner Vermischung mit konventioneller Ware kommen kann. Um eine Kontamination zu vermeiden, wird der Öko-Hafer extern angeliefert und entspelzt, bevor die Anlieferung bei Brüggen erfolgt.

Auf die Frage, was sie Landwirten empfiehlt, die in den Qualitätshaferanbau einsteigen möchten, rät Pienz den Hafer zu Beginn als Vermehrung anzulegen, um sich mit der Kultur vertraut zu machen. Es braucht sowohl eine gute Betreuung als auch gesicherte Absatzwege. Sädler ergänzt, dass in einem solchen Fall mit neuen Anbauern auch kleine Anlieferungen möglich seien. Auf die Nachfrage, ob eine Abholung generell ex Ernte bei Brüggen möglich sei, antwortete Sädler, dass es Bemühungen gäbe, aber eine direkte Abnahme nicht realisierbar sei. Ein Kunde müsste mindestens ein paar Tage selbst lagern können und das auch nur mit rechtzeitiger Absprache.

Saatzucht I.G. Saatzucht

Die Gründung der I.G. Saatzucht & Co. KG erfolgte 1990. Seit 2012 ist die Saatzucht Bauer alleinige Eigentümerin der I.G. Saatzucht. Die Familie Bauer begann bereits 1940 mit der Haferzüchtung und verlegte nach der alleinigen Übernahme des Gut Boldebucks in 2017 die Züchtung von Hafer und mehrzeiliger Wintergerste nach Mecklenburg‑Vorpommern.

Bekannte Hafersorten der Saatzucht Bauer

MAX, FRITZ, REX, KARL

Triple A-Team

Unter dem Motto EFFIZIENT. KERNGESUND. KLIMASTABIL.finden sich die Sorten ADRENALIN, ABSOLUT und ABSINT:

Der neue A-Qualitätsweizen ADRENALIN schont Ressourcen durch Ertragsstärke, Stickstoffeffizienz und eine hervorragende Blattgesundheit. Außergewöhnlich hoch und auf E-Weizenniveau ist die für die Backindustrie relevante Volumenausbeute. ADRENALIN verfügt über eine hohe Saatzeitflexibilität. Außergewöhnlich ist die schöne Kornausbildung, die sich in der Bestnote APS 8 im TKG niederschlägt. Zudem hat ADRENALIN das größte Korn unter den A-Weizensorten*. Aufgrund seiner Eigenschaften ist ADRENALIN eine hochmoderne Weizensorte, die Qualitätsweizenanbau in Deutschland zukunftsfähig macht.

ABSOLUT ist den meisten A-Weizen-Sorten in seiner physiologischen Entwicklung voraus und lagert sein großes Korn schon frühzeitig ein. Dies sichert, besonders in trockenen Jahren, den Ertrag ab. Zusätzlich verfügt er über eine hohe Kornzahl/Ähre und einen Rohproteingehalt von APS 6. Damit bietet ABSOLUT eine einmalige Kombination von Frühreife und sehr guter Qualität. Die gute Blattgesundheit, hervorzuheben sind die sehr guten Resistenzen bei Mehltau, Septoria und Braunrost, lässt eine reduzierte Fungizidstrategie zu. Durch seine glänzenden Resistenzeigenschaften bringt ABSOLUT Sicherheit in den Weizenanbau. Hinzu kommen hervorragende Backeigenschaften. Gerade die für den Landwirt wichtige Eigenschaften wie überdurchschnittliches Hektolitergewicht, Fallzahl, Fallzahlstabilität, Sedimentationswert und Rohproteingehalt sprechen für ABSOLUT und sind in der Kombination mit Frühreife und Gesundheit einzigartig.

ABSINT ist ein kurzer, außergewöhnlich standfester A-Winterweizen mit einer top Fusarium-Toleranz. Neben gesunden Ähren bringt er eine ausgewogene Blattgesundheit mit. Durch einen ausgezeichneten Proteingehalt (APS 5) und Bestnoten in Fallzahl und Fallzahlstabilität (APS 9 und ++) ist die A-Qualität bei ABSINT felsenfest abgesichert. Diese berauschenden Qualitäten, gepaart mit sicheren agronomischen Eigenschaften, sprechen auf ganzer Linie für ABSINT.

*Wertprüfung Winterweizen, Bundessortenamt. WP Jahre 2020-2022. Kornertrag relativ.